Aus Lothar Knessls Führer durch Ernst Kreneks Bühnenwerke
Der Zauberspiegel
Fernsehoper in vierzehn Bildern, op. 192 (1963-1966)
Text
Ernst Krenek
Verlag/Rechte
Bärenreiter
LM BA 4169
Dauer
85 Minuten
Ursendung
6. September 1967
Bayerischer Rundfunk, München
D Ernst Krenek
R Joachim Hess
B Herbert Kirchhoff
Sendungen
Bayerischer Rundfunk München (1968)
Aufzeichnungen
Bayerischer Rundfunk München
Besetzung
Ein chinesischer Kaiser (B)
Liu Tsao, seine Geliebte (MS)
Francesco, ein italienischer Maler (T)
Pierre, ein Erfinder (B)
Carola, seine Freundin (S)
Rudolf, Museumsdirektor (T)
Barban, Kommissar einer fernöstlichen Macht (B)
Vera, Operateur 378, seine Sekretärin (A)
Ein Diener (T)
Ein U-Bahn-Schaffner (stumme Rolle), Statisterie
1(Picc, Altfl).1.1(Basskl).1(Ktfg) - 1.1.1.0 - 4 Perc (incl. Glsp,Vib,Xyl, antike Zimbeln) - Hf, eGit, Zither, Zymbal, Pft; 2 präparierte Pft (ein Spieler); Cemb, Cel, Harm (1 Spieler) – Str
Themenkreise
Überwindung der Realzeit und des realen Lebens
Entstehung
Im Auftrag des dritten Programmes des Bayerischen Fernsehens geschrieben und in München als Farbfilm produziert. – „… Alle Möglichkeiten, die uns durch das Mikrophon, die Kamera, die Farbe in die Hand gegeben sind, habe ich zu nützen versucht.“ (Ernst Krenek in: „Hör zu“, München, Nr. 6, 4.2.1967) Das Libretto basiert auf einer altchinesischen Legende, die Krenek in die Zeit Marco Polos verlegt.
Zeit und Ort der Handlung
China im 13. Jahrhundert/am Hof des Kaisers, Gegenwart/in der U-Bahn, im Museum
Inhalt
Ähnlich wie schon im „Goldenen Bock“ (op. 186), entheben Zeitsprünge das Geschehen dem realen Zeitablauf. Basis ist eine altchinesische Legende. Krenek verlagert sie einerseits in die Zeit des Marco Polo, andererseits in heutiges, utopisch orientiertes Forschen. - Der Maler Francesco malt sich ins eigene Bild, um, beim chinesischen Kaiser in Ungnaden gefallen, der Hinrichtung zu entkommen. Das Bild landet in einem (europäischen?) Museum der Gegenwart. Zwei Forschern, Pierre und Carola, ist es gelungen, mittels neuer Technik, eines Zauberspiegels, tote Materie zu verlebendigen. Anhand des „chinesischen“ Bildes soll das verifiziert werden. Mittlerweile hat ein fernöstlicher Geheimdienst die Situation ausspioniert. Agentin Vera, als Expertin verkleidet, soll sich das Wundergerät aneignen. Im Museum gelingt das Experiment. Francesco erwacht zu neuem Leben, verliebt sich sofort in Carola und flüchtet mit ihr samt Zauberspiegel in ein Hotel. Schon nach einer Nacht entdecken beide, nicht zueinander zu passen. (Krenek-Kenner denken hier vermutlich an die eine gemeinsame Nacht Anitas mit Daniello in „Jonny spielt auf“.) Man trennt sich. Francesco, wieder im Museum, malt sich, nun mit Vera und dem Zauberspiegel, zurück in sein Bild. Der Kaiser hat, eingedenk seines Fehlverhaltens, längst verziehen.
Musik
„…Vor allem kam es mir aber darauf an, eine farbige Musik zu schreiben. Instrumente charakterisieren die einzelnen Personen, z.B. das präparierte Klavier den chinesischen Kaiser, das Zimbal den Kommissar im Intelligenzbüro, die Zither die Freundin des Erfinders.“ (Ernst Krenek in „Hör zu“, München, 4.2.1967)
Serielle, aleatorische und elektronische Kompositionspartikel werden spielerisch gehandhabt und als dramaturgisch bedingte Elemente souverän verarbeitet.
(aus: Lothar Knessl, Ernst Krenek)
Der Stimmcharakter der lebendig werdenden Figuren des Gemäldes wird elektronisch verfremdet und dadurch zu den gegenwärtigen Personen in Gegensatz gebracht. Ebenso ist den Szenen elektronische Musik zugeordnet, die in der Untergrundbahn spielen und die quasi die Verbindung zur Gegenwart herstellen …
(aus: Helga Bertz-Dostal, Oper im Fernsehen)
Resümee
Alter Legenden-Stoff, durch Zeitsprünge in Gegenwartsutopien katapultiert. Metamorphosen der Liebe.
Im Spiegel der Presse
Bamberger Volksblatt
31.12.1966, Dieter Lechner
Der Zauberspiegel schöpft nicht nur äußerlich alle Möglichkeiten technischen Erfindergeistes aus. Auch inhaltlich befasst sich das Opus mit dem Phänomen eines Lebens mit der Zukunft.
Neues Österreich
4.1.1967, Lothar Knessl
Der Zauberspiegel ist Bestandteil einer gewichtigen Schaffensperiode, in der das Problem der Zeit und der Zeitbegriff überhaupt eine wesentliche Rolle spielen.
Weiterführende Literatur
Krenek, Ernst, Das musikdramatische Werk, Band III, hg. von der Gesellschaft für Musiktheater, Österreichische Verlagsanstalt, Wien 1982
Helga Bertz-Dostal, Oper im Fernsehen. Grundlagenforschung im Rahmen des Forschungsprogramms des Instituts für Theaterwissenschaft an der Universität Wien, Bd. 1, Wien 1970, S. 368-370
Lothar Knessl, Ernst Krenek, Verlag Elisabeth Lafite / Österreichischer Bundesverlag, Wien 1967, S. 82