Aus Lothar Knessls Führer durch Ernst Kreneks Bühnenwerke
What Price Confidence? / Vertrauenssache
Kammeroper in neun Szenen, op. 111 (1945)
Text
Ernst Krenek (englisch und deutsch), inspiriert von Hermann Melvilles Roman The Confidence- Man. His Masquerade (1857)
Verlag / Rechte
Bärenreiter
LM / BA 4301
Dauer
45 Minuten
Uraufführung
22. Mai 1962
Stadttheater Saarbrücken
D Werner Wilke
R Rüdiger Renn
B Franz Weisgerber
Aufführungen
Gare du Nord, Basel (2015), Staatsoper im Schillertheater, Berlin (2013), Austrian Cultural Forum New York (2006), Konzerthaus Berlin (2004), Teatro Abierto, Lissabon (2004), Staatsoper Prag (2000), Helikon Oper, Moskau (2000), Eröffnung des Ernst Krenek Institutes Wien, Musikverein, Einem-Saal (1998), Sächsische Staatsoper Dresden (1998), Wiener Jugendstiltheater (1993), Carinthischer Sommer (1985)
Aufzeichnungen
2008, Phoenix 130, Gloria: Ilana Davidson, Vivian: Susan Narucki, Richard: Richard Clement, Edwin: Christopheren Nomura; Linda Hall, Pft
1996, cpo 000319-2, Gloria: Ksenja Lukic, Vivian: Elvira Dreßen, Richard: Andreas Schmidt, Edwin: Markus Köhler; Reinhard Schmiedel, Pft
Besetzung
Gloria (S), Vivian (MS), Richard (T), Edwin (Bar)
Pft
Themenkreise
Lust/Moral, Vertrauen/Misstrauen, Verstand/Emotion
Bezüge zu Mozarts Così fan tutte (wie auch in Sardakai op. 206)
London um 1900
Entstehung
Krenek verfasste das Libretto zuerst auf Englisch und übersetzte es später ins Deutsche. Auf die Zeit Edwards VII. anspielend, verwendete er ein etwas gespreizt-manieriert wirkendes Englisch.
Krenek wählte die spartanische Besetzung von vier Personen mit Klavierbegleitung zugunsten einer möglichst kostengünstigen Realisierung.
Zeit und Ort der Handlung
London um 1900
Inhalt
Gloria wirft ihrem Mann Edwin misstrauisches Wesen und mangelndes Selbstvertrauen vor. Daraufhin verspricht er, der nächsten ihm begegnenden Person sein Vertrauen zu schenken, eine Herausforderung des Schicksals. - Richard leidet darunter, dass seine Frau Vivian überhaupt nicht eifersüchtig ist. Sie vertraut nur sich selbst, will aber herausfinden, ob sie auch einem anderen Menschen so hohes Selbstvertrauen einflößen könnte. Richard hingegen möchte mit seiner Geliebten Gloria fliehen. Sie jedoch stellt ihm vorerst die Aufgabe, Edwins Vertrauen zu wecken …
Und es kommt, wie es kommen muss: Die vier Protagonisten treffen überkreuz aufeinander. Nach einer turbulenten Handlung, in der es um Spielschulden und Juwelen, ungedeckte Schecks und unterlassene Selbstmorde geht, erkennen die Paare schmerzvoll: „Nichts ist so teuer wie Vertrauen!“ – „Ja, sicher. Aber wer zahlt den Preis?“
Musik
… die Musik offenbart einige herrliche malerische Details, die an die Geradlinigkeit und den Prunk des „englischen Klanges“ eines Oratoriums von Händel oder eines Orchesterwerkes von Edward Elgar oder Ralph Vaughan Williams ebenso erinnern wie an die theatralischen Kinonebel eines Sherlock-Holmes-Filmes, alles selbstverständlich fein ziseliert im kammermusikalischen Gewand. Die Zwölftonkonstruktion wird zweckgemäß unterwandert. Zwei Zitate fixieren den Handlungsort des Stückes: In der Regennacht der sechsten Szene auf der Waterloo-Bridge (man hört den Regen in der rechten Hand des Klaviers) ertönt mysteriös der nahe Big Ben; am Ende der Szene nennt Vivian ihre Adresse mit einer typisch englischen Lokalfloskel, die Edwin… begeistert in der Dominante wiederholt …
(Reinhard Schmiedel, CD-Booklet, cpo)
Resümee
Eigenständige, markante Musik trotz Verzichts auf Orchester. Ironische Satire auf gesellschaftliche Moralvorstellungen.
Im Spiegel der Presse
Sächsische Zeitung
19.1.1998, Gabriele Gorgas zur Aufführung an der Staatsoper Dresden
Jene, die es mit Vertrauen versucht haben, ziehen aus der Enttäuschung Nutzen. Die beiden betrügerischen Nestflüchter aber sind letztlich die Betrogenen. Mögliche Moral vom Ganzen: Bleib, wie du bist, und füg' dich mit. Reine „Vertrauenssache“!
Neue Musikzeitung
5/1997, Peter P. Pachl zur CD-Aufnahme cpo
Im durchsichtigen Klavierpart der Zwölftonkomposition mit diversen Reminiszenzen – Wagners „Tristan“ und die englische Hymne – wird die gesamte szenische Ebene… umfassend transportiert, ohne dass der Eindruck eines Orchesterderivats entsteht. Mit ihren Lautmalereien erinnert Kreneks witzig pointierte Klavier-Tonsprache an musikalische Praktiken des Stummfilms.
Österreichische Musikzeitschrift
2/1994, Matthias Schmidt zur Aufführung im Wiener Jugendstiltheater
Die rasante Folge der sich in…zugespitzter Didaktik überstürzenden Szenen stellt alle präsentierten Möglichkeiten der Vertrauensbildung sofort wieder in Frage, verneint sie, beleuchtet sie neu und entlarvt sie mit parfümierter Salonkomödiantik selbstironisch als verlogenes Gesellschaftsspiel. … Die quirlige Musik erlaubt dabei keinen Moment des Innehaltens, erweckt keinen Schein von Vertrautheit.
Weiterführende Literatur
Wolfgang Greisenegger, Wer zahlt den Preis? Ernst Kreneks Einakter Vertrauenssache, in: Winfried Kirsch und Sieghart Döring, Geschichte und Dramaturgie des Operneinakters, Laaber Verlag, Laaber 1991
Richard Wilson, Krenek and Melville. Three American Operas, in: „Der zauberhafte, aber schwierige Beruf des Opernschreibens“. Das Musiktheater Ernst Kreneks, Claudia Maurer-Zenck (Hg.), Edition Argus, Schliengen 2006, S. 193-200