Schubert. Winterreise
Abstract
Der kurze Text – vermutlich als Einleitung zu einer in einem Hannover Radio-Studio aufgezeichneten Sendung des NDR – liest sich wie eine kunstvolle, mit vielen Sprachspielen durchsetzte Metapher zu Kreneks Emigration. Es werden Passagen aus Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“ zitiert und paraphrasiert und anknüpfend an das letzte Lied im Zyklus – „Der Leiermann“ endet Krenek mit der lapidaren Feststellung: „Gerne fortgegangen ist er immerhin nicht.“
,Schubert
lect
Das Wandern mag des Müllers Lust ge-
wesen sein. Dem früh Ergreisten ist das
Reisen eine Last. Er fürchtet weder
Abschied noch Ankunft, denn was ihn
von dort vertrieb, scheint viel schlimmer
als was ihn hier erwartet, ja was er zu
finden hofft. Daß die Heimstätte, zu
der der Reisende zurückkehrt, ein Symbol
der Grabstätte ist, in der er bleiben
wird, schreckt ihn nicht - denn dort
wollte er ja hin. Es ist ihm nicht
vergönnt: die endlose Melodie des
Leiermanns treibt den Reisenden
zurück in das sinnlos bewegte
Element. Daß die Winterreise des
Verzweifelten weder im Himmel der
Verklärung bringt sie wie unserer
ebenso hartgesottenen wie zartnervigen Bewußtseinslage
nahe. Daß dem Winter dieses un-
sagbar verklärten Mißvergnügens
ein unerbittlich realer Frühling folgen
dürfte, ist ärger als alles.
Gerne fortgegangen ist er immerhin nicht.