Stellungnahme zu "Jonny spielt auf" 2022 in München
Die Ernst-Krenek-Institut-Privatstiftung fördert das Andenken an Ernst Krenek (1900-1991) und die Verbreitung seiner Werke. Aber der Zweck der Stiftung geht darüber hinaus. Gladys Nordenstrom Krenek, die 2016 verstorbene Witwe des Komponisten, hat uns in ihrer Stiftungserklärung aufgegeben, die Stiftungsarbeit in einen größeren Zusammenhang zu stellen: jenen "der noch nie dagewesenen Auslöschung des Lebens und des Werkes zweier Künstlergenerationen aus politischen, religiösen bzw. rassistischen Gründen" durch die Nationalsozialisten.
In diesem Sinne begrüßen wir, dass das Gärtnerplatztheater die Krenek-Oper "Jonny spielt auf" knapp 100 Jahre nach ihrer dortigen Münchner Erstaufführung wieder auf den Spielplan gesetzt hat. Und dass Regie und Dramaturgie in mehrerlei Hinsicht unternommen haben, auf die politische Situation 1928 Bezug zu nehmen, als die Erstaufführung von massiven Störungen betroffen war. Denn es ist nicht bei Niespulver und Stinkbomben geblieben: In den Folgejahren verboten die Nationalsozialisten die erfolgreiche Oper, brandmarkten sie als "entartete Kunst" und zwangen schließlich den durch Aufführungsverbote zermürbten Krenek ins Exil.
Umso bestürzter sind wir über einen Offenen Brief, mit dem im Gefolge der ersten Münchner Aufführungen 2022 ein paar Hundert Aktivisten "das sofortige Absetzen der Inszenierung" fordern und "alle Münchner*innen dazu auf[rufen], den Vorstellungen dieser Produktion fern zu bleiben". Warum? Weil das Gärtnerplatztheater "mit einem gänzlich weißen Regieteam" die "Reproduktion der rassistischen Kulturpraxis Blackfacing" betreibe. Die Musikkritik (etwa im Feuilleton der "Neuen Zürcher Zeitung") und ausgewiesene Krenek-Fachleute sind diesem Vorwurf ausführlich und wohlbegründet entgegengetreten.
So ersuchen wir dringend, in der Auseinandersetzung mit Werken und Inszenierungen auf Boykottaufrufe und Forderungen nach Aufführungsverboten zu verzichten – vor dem Hintergrund der Geschichte und im Sinne des oben zitierten Stiftungszweckes.
Ernst-Krenek-Institut-Privatstiftung
Krems an der Donau, im April 2022