Memory
Präsentation des Workshops zum Thema akustische Erinnerungen
Manche Nacht lag ich schlaflos in meinem Bett in Großmutters »Kabinett«, das ich damals bewohnte, der Regen trommelte trübselig gegen die Fensterscheibe, ein spätes Pferdefuhrwerk klapperte auf der regennassen Straße langsam vorbei, und das verzweifelte Pfeifen einer Lokomotive in weiter Ferne fügte diesem unendlich hoffnungslosen Ensemble von Geräuschen einen Ton unerträglicher, herzzerreißender Qual hinzu. Dieses Bild fügte ich zehn Jahre später in eines der Lieder in meinem Zyklus Gesänge des späten Jahres ein.
Meine ersten musikalischen Erlebnisse außerhalb unserer Wohnung waren mit der Volksoper verbunden. Man nahm mich dorthin mit, weil ich die Weihnachtsmärchen sehen sollte, die zur Weihnachtszeit von den meisten Theatern in Matineevorstellungen für Kinder aufgeführt wurden. Dabei handelte es sich gewöhnlich um Dramatisierungen bekannter Märchen, mit Bühnenmusik, Tanzen und Liedern.
Die Wirklichkeit des Krieges wurde uns eines Nachts mit einem Schlag bewußt, als wir durch einen höllischen Lärm aus dem Schlaf gerissen wurden. Ich fuhr zutiefst erschrocken in meinem Bett hoch und sah alles im Zimmer so deutlich wie am Tag. Der Himmel draußen strahlte wie zur Mittagszeit. Vom Dach her war entsetzliches Gepolter zu hören, und auf die Zimmerdecke und durch den Kamin hinunter krachten Gegenstände und splitterndes Glas. Mein Vater glaubte, es sei ein Luftangriff - niemand hatte jemals einen miterlebt oder hatte eine Vorstellung davon, wie das war.
Fast jeder Mensch hat einen Bezug zu Musik und kann auf eine musikalische Biografie zurückblicken. Auch Ernst Krenek beschreibt in vielen Abschnitten seiner Memoiren „Im Atem der Zeit“ musikalische, aber auch auffallend viele geräuschhafte Ereignisse, die ihm über Jahrzehnte in Erinnerung blieben.
Am Anfang dieses Vermittlungsprojekts stand im Frühjahr 2023 eine Interviewreihe mit Menschen, die in der Mitte ihres Lebens oder auch darüber hinaus stehen: Welche Musik hat sie geprägt? Gibt es Musik, die mit ganz bestimmten Erlebnissen oder Sinneseindrücken verknüpft sind? Dann folgte die Frage nach vermeintlich unscheinbaren Momenten: Welche Geräusche/Klänge sind aus der Kindheit noch in Erinnerung? Unscheinbar deshalb, weil nur äußerst selten der Scheinwerfer auf unsere akustische Umwelt gelegt wird, die unser Sein maßgeblich prägt.
Interviews
Es entstand eine Sammlung an Eindrücken, die als musikalisches Ausgangsmaterial für eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Tänzerin Katharina Weinhuber und der Musikvermittlerin Veronika Großberger dienten. Zusammen mit dem Tanztheater Metaffa spürten die Workshopleiterinnen dem Gesagten der Interviews und eigenen akustischen Erlebnissen der Teilnehmer:innen nach. Das Prozesshafte stand im Vordergrund, mit dem Trailer öffnet sich ein kleines Fenster in die Workshoparbeit.
Katharina Weinhuber, Tanz
Veronika Großberger, Musik
Zeitraum: 19. bis 20. August 2023
Ort: Salon Krenek und Minoritenkloster Krems
Ein Workshop des Salon Krenek in Kooperation mit dem Tanztheater Metaffa.