Mario Verandi im Gespräch

Artist in Residence

Der aus Argentinien stammende und in Berlin lebende Klangkünstler und Komponist Mario Verandi war im April als Artist in Residence zu Gast in Krems. Während seines Aufenthalts arbeitete er mit Ernst Kreneks Buchla Modular Synthesizer im Ernst Krenek Forum.

Wir wollten mehr über ihn und seine aktuellen Projekte erfahren!

 

 

Erzähle uns ein wenig über deinen musikalischen Hintergrund. Wie bist du zum Komponieren gekommen?

Ich stamme aus einer Künstlerfamilie. Meine Mutter war Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin und mein Vater Regisseur und Dichter. Ich denke, das Musikalische habe ich von meiner Mutter. Aber ich habe mich immer auch für Literatur, Poesie und in gewissem Maße für das Theater interessiert. Zu Hause haben meine Eltern hauptsächlich klassische Musik gehört. Als Teenager begann ich Gitarre zu lernen und spielte Bass in einer Rockband mit Freunden. In dieser Zeit begann ich auch Songs für die Band zu komponieren. Als Teenager hörte ich dann auch viel des sogenannten Symphonic Rock und das war ein großer Einfluss und Anreiz, Klavier zu lernen und Musik zu komponieren. All das führte zu meinem Musikstudium an einer Universität in Rosario (Argentinien). Zur gleichen Zeit spielte ich in mehreren Bands und komponierte Songs. Ich nahm sogar ein Album mit meinen Rock/Pop-Kompositionen auf.
Währenddessen entdeckte ich die Musik von zeitgenössischen Komponisten wie Ligeti, Stockhausen und Varese. Nach Abschluss meines Musikstudiums studierte ich Elektroakustische Musik in den Phonos-Studios in Barcelona. Dort entwickelte ich ein besonderes Interesse an der Musique Concrète und begann auch selbst elektroakustische Stücke zu komponieren. Ich wollte zu dieser Zeit meine Fähigkeiten in elektroakustischer Komposition noch weiter ausbauen und erhielt ein Stipendium, um einen Master und später das Doktorat in Elektroakustischer Komposition an der Universität von Birmingham (UK) zu machen. Seitdem ist mein kreatives Schaffen vielfältig und umfasst elektroakustische Musikkompositionen, elektronische Live-Performances, Klanginstallationen, Musik für Tanz, Theater und Radio und in jüngster Zeit ein Projekt mit Kompositionen im so genannten Ambient/Electronic-Genre. Dieses letzte Projekt gipfelte in der Veröffentlichung eines Albums im vergangenen Jahr.

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Worin liegt der Fokus deiner Musik? Wie würdest du diese beschreiben?

Nun ich denke, der Fokus meiner Musik ist nicht statisch und befindet sich im ständigen Wandel. Es gibt jedoch ein paar grundlegende Interessen und Impulse, die immer bestehen. Zum Beispiel der Prozess der Aufnahme von Klängen, der sowohl akustische Instrumente wie auch Geräusche von Objekten und Field Recordings umfasst. Dann verwende ich Computer Software, um die Klänge zu bearbeiten und umzuformen. Das mache ich immer noch gerne. Ich denke, was sich hauptsächlich verändert, ist der Kontext, in dem ich diese Klänge verwende und die Rolle, die sie in einem Stück bekommen. Seit etwa zwei Jahren komponiere ich Musik, die weniger „konzeptionell“ oder „experimentell“ ist und sich mehr an wiedererkennbaren Harmonien und Melodien orientiert. In diesem Kontext kombiniere ich computerbearbeitete Klänge mit akustischen Instrumenten wie Klavier und Cello. Hier ist die Rolle der elektronischen Sounds ganz anders als in meinen „experimentellen“ elektroakustischen Stücken.

 

Wann und wie bist du erstmals mit elektronischer Musik in Berührung gekommen?

Ich glaube, das war während meines formalen Musikstudiums in Argentinien, als ich elektronische Stücke von Stockhausen hörte. Aber wahrscheinlich war ich schon mit elektronischen Klängen in Berührung, als ich die Symphonic Rock Bands der 70er Jahre hörte. Diese Bands machten ausgiebigen und großartigen Gebrauch von verschiedenen Arten von Synthesizern. Es ist mir an dieser Stelle aber auch wichtig darauf hinzuweisen, dass mein Hauptinteresse nicht so sehr an den Maschinen selbst liegt, die rein elektronische Klänge erzeugen, sondern eher an Aufnahmen von Klängen, die ich später elektronisch am Computer verarbeiten und transformieren kann.
Ich würde also sagen, dass ich mehr aus der Tradition der Musique Concréte der Schule von Pierre Schaeffer komme und nicht so sehr von der Elektronischen Musik von Stockhausen und den WDR-Studios. Natürlich sind diese beiden Schulen in den letzten Jahren immer mehr vermischt worden und ich verwende sehr oft pure elektronische und synthetische Klänge. Ich bin offen für alle möglichen Klänge, wenn sie für meine kompositorischen Ideen hilfreich sind. Dennoch tendiere ich dazu Klangmaterial mehr aus Aufnahmen und dem Weiterverarbeiten akustischer Klänge zu gewinnen.

 

Was fasziniert dich an der Arbeit mit Synthesizern?

Ich muss sagen, dass ich eigentlich von allem gleichermaßen fasziniert bin, das Klänge produziert. Im Falle von Synthesizern ist es für mich oft eher schwierig Klänge zu bekommen, die mich wirklich zufrieden stellen. Ich mag organische, harmonisch reichhaltige Klänge mit vielen kleinen Variationen. So wie man es bei akustischen Instrumenten findet. Bei Synthesizern verbringe ich also viel Zeit mit dem Anpassen und Modifizieren von Einstellungen, um Klänge zu bekommen, die mir gefallen. Und wenn ich Klänge habe, mit denen ich zufrieden bin, verwende ich sie gerne in meiner Musik.

 

Wie war dein erster Kontakt mit dem Buchla Synthesizer?

Meine Herangehensweise war, mich von meinen Vorkenntnissen aus der Arbeit mit anderen Synthesizern und von meiner Intuition leiten zu lassen. Es dauerte eine kurze Zeit, bis ich Klänge produzieren konnte und begann, das Patch-System des Buchla 100 zu verstehen. Danach habe ich auch einen kurzen Blick ins Manual geworfen, um eine bessere Vorstellung von der Funktionsweise zu bekommen. Während meines Studiums und meiner Arbeit in den Phonos-Studios in Barcelona hatte ich eine kurze Erfahrung mit einem modularen Synthesizer. Dort gab es ein paar tragbare EMS Synthi AKS, ein Patch-Pin-Matrix Analogsynthesizer aus den frühen 70er Jahren. Aber bald danach begann ich mit einem Yamaha DX7 und verschiedenen anderen digitalen Synthesizern und Samplern zu arbeiten.

 

Was gefällt dir an der Arbeit mit dem Buchla Synthesizer?

Ich mag vor allem seine Unberechenbarkeit. Das ist eine nützliche und interessante Eigenschaft, die mich in unbekannte Klangwelten führt.

 

Erzähle uns etwas über dein aktuelles Projekt.

Im Moment habe ich zwei Projekte. Das eine ist, ein Stück zu kreieren, dass ausschließlich aus Klängen des Buchla besteht. Ich mache Aufnahmesessions, bei denen ich intuitiv mit dem Buchla improvisiere und verschiedene Patches verwende. Danach werde ich mir die Aufnahmen anhören und ein paar elementare Bearbeitungen vornehmen, um die Teile zu behalten, die mir am besten gefallen. Mein zweites Projekt ist die Veröffentlichung meines zweiten Ambient/Electronic-Albums. Bevor ich nach Krems kam, hatte ich bereits begonnen, an einigen der Stücke zu arbeiten, die auf das Album kommen sollen. Ich möchte auch mit dem Buchla produzierte Klänge bei manchen der Kompositionen einbauen.

 

Notierst du Klänge auch oder arbeitest du hauptsächlich mit Aufnahmen?

Ich schreibe Buchla Klänge nicht auf oder notiere sie, um eine Partitur zur erstellen. Ich ziehe es vor, mit dem Synthesizer zu improvisieren und das Ergebnis aufzunehmen. Allerdings mache ich mir einige grundlegende Notizen zu den Patches und Soundeffekten, die ich interessant finde, um sie mir zu merken. Wenn ich eine Partitur erstellen muss, neige ich dazu, traditionelle und grafische Notation zu mischen.

 

Wie gefällt es dir in Krems?

Ich bin froh, hier zu sein und zumindest eine Weite einer Großstadt wie Berlin zu entkommen. Ich genieße es, in dieser kleinen und ruhigen Stadt zu sein. Die Donau in der Nähe zu haben und am Fluss entlang zu spazieren ist sehr entspannend und schön. Allerdings ist es schade, dass ich wegen dem Lockdown keine Museen, Kunstgalerien und Konzerte besuchen kann. Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder kommen kann, um das nachzuholen.

 

Vielen Dank für das Interview!

In Kooperation mit AIR – Artist in Residence Niederösterreich und Klangraum Krems Minoritenkirche.
 

Website von Mario Verandi

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