Jonny spielt auf, Down Under!
Obwohl Jonny spielt auf in den 1920er Jahren die Bühnen Westeuropas sowie Leningrads, Moskaus und New Yorks erobert hatte und auch in jüngeren Jahren vermehrte Aufmerksamkeit von den internationalen Opernhäusern bekam, blieb eine Aufführung in Australien bisher aus. Das hat weder mit mangelndem Willen noch (zumindest anfänglich) fehlendem Interesse zu tun. Die Nachrichten von Jonnys triumphalen Erfolgen erreichten 1927 und 1928 auch Australien. Im August 1928 stellte der London-Korrespondent der Morgenzeitung Melbournes Argus, bei einem Rückblick auf die Opernsaison des Jahres in Covent Garden fest, dass bei einer Aufführung von Jonny „Covent Garden überfüllt gewesen wäre“. Das Problem in London sei, wie der Korrespondent bemerkte, „nicht die Finanzierung, sondern das Fehlen von Mut, neue Werke aufzuführen.“
In den späten 1970er Jahren setzte die australische Nationaloperagesellschaft – dem Verdienst des Schauspielers und Komikers Barry Humphries zu verdanken, der sogar nach Palm Springs gereist war, um die mögliche Produktion mit Krenek selbst zu besprechen, – vorläufig eine Saison von Jonny auf das Programm des Sydney Opera House. Der nötige Mut fehlte jedoch auch in diesem Fall und so wurde die Produktion eingestellt. In den vergangenen Jahren gab es mindestens zwei weitere Versuche australischer Opernhäuser, die mir bekannt sind.
Es gibt weitere Gründe für das lange Versäumnis in Australien. Während Romane, Poesie, Film, Bildhauerei, Kunst und Handwerk der Weimarer Zeit regelmäßig wiederbelebt und gefeiert werden, wird ein Großteil der Musik dieser Zeit übergangen. Der Unterdrückung des Wirkens einer ganzen Generation von Komponisten im Dritten Reich ist es geschuldet, dass nur wenige australische Musiker/innen von den Opern von Krenek oder Franz Schreker, Viktor Ullmann, Paul Hindemith oder Max Brand oder auch der Instrumentalmusik von Erwin Schulhoff, Hans Gal, Gideon Klein – um nur wenige zu nennen – gehört haben, geschweige denn deren Werke selbst gehört haben.
Diese Zerstörung von Musikkultur ist nicht nur ein Verlust für Europa, sondern auch für Australien. Denn in der Weimarer Musikkultur spiegelt sich unter anderem auch eine Zeit wider, in der sich die Bereiche der sogenannten „populären“ und der „klassischen“ Musik gegenseitig beeinflusst und inspiriert haben. Seither sehen wir uns jedoch eher mit einer Form von fest verwurzeltem, gegenseitigem Unverständnis und Ausgrenzung zwischen den populären und klassischen Musiksparten konfrontiert.
Eine weitere wenig beachtete Neuerung in der Weimarer Musik, und insbesondere bei Jonny, war der Trend, die überwiegend nicht-urbanen Fantasiewelten traditioneller Opern durch Stoffe und Handlungen zu ersetzten, die die Erfahrungen des Stadtlebens abbildeten. Der wichtigste Impulsgeber für diese Veränderung in der Oper ist die Beziehung, die der nach innen gerichtete Komponist Max zu der nach Freiheit strebenden Opernsängerin Anita entwickelt. Es ist sehr schön für uns Australier festzustellen, dass dieser Teil der Handlung in Jonny von Kreneks eigener Beziehung zur australischen Geigerin Alma Moodie (1989-1943) inspiriert wurde.
Wie Anita Max im zweiten Teil von Jonny erklärt, besteht der Trick in der modernen Stadt zu leben darin, jeden Moment dieses Lebens von unendlicher Bewegung zu leben und sich dabei trotzdem nicht selbst zu verlieren [Das Leben, das du nicht verstehst, es ist Bewegung… In jedem Augenblick du selbst sein, in jedem Augenblick es ganz sein, und jeden Augenblick leben, als ob kein andrer käme weder vorher, noch nachher, und sich doch nicht verlieren].
Diese Botschaft, denke ich, ist für Australier heute genauso relevant, wie für Europäer im Jahr 1927. Ich freue mich daher sehr, Jonny endlich dabei zu helfen im Land Down Under aufzuspielen.
Peter Tregear
Am 4. Oktober findet die Erstaufführung von Kreneks Erfolgsoper „Jonny spielt auf“ in der englischen Fassung von Jeremy Sams („Jonny Strikes Up!“) in einer konzertanten Aufführung am Athenaeum Theatre in Melbourne, Australien, statt.