Aufführung der audiovisuellen Komposition „Untitled [Krenek]“ des Kollektiv F.A.T. bei Zeitimpuls 23 und beim Darkroom Festival

Covid-19-Sonderstipendium

Im Rahmen von Zeitimpuls 23 des TENM Tiroler Ensembles für Neue Musik wird am Samstag, 14. Oktober 2023 im ORF Studio 3 Innsbruck die audiovisuelle Komposition „Untitled [Krenek], 2022 des Kollektiv F.A.T. gezeigt.

In London ist das Werk bereits am Samstag, 23. September 2023 beim Darkroom Festival zu sehen.

Das Projekt wurde 2021 für das Covid-19-Projektstipendium „Ernst-Fall“ der Ernst-Krenek-Institut-Privatstiftung ausgewählt.

 

 

Kollektiv F.A.T. über „Untitled [Krenek]“

Das audiovisuelle Projekt „Untitled [Krenek]“ ist eine poetische Annäherung an das Leben und Werk des österreichischen Komponisten Ernst Krenek. Ausgangspunkt des Projektes ist Kreneks 1956 entstandene elektroakustische Komposition „Spiritus Intelligentiae Sanctus“, op.152 für Solo-Stimmen und Tonband. Krenek sprach in einem Interview über die Hintergründe dieser Komposition und erläuterte, dass es sich um eine künstlerische Annäherung an hypnagoge Wahrnehmungen handelt. Krenek sprach dabei von „knocking and rumbling noises“, die er beim Einschlafen häufig wahrnahm. Zu diesen Geräuschen kamen allmählich hohe gleitende Töne, die er mit einer Violine aus der Ferne verglich. Die damaligen Mittel der elektronischen Klangerzeugung boten Krenek eine Möglichkeit sich kompositorisch mit diesen hypnagogen Phänomenen auseinander zu setzen und diese auf Tonband zu realisieren. „Untitled [Krenek]“ greift diese hypnagogen Assoziationen Kreneks wieder auf und spannt eine traumhafte, unwirkliche Bild- und Klangwelt, innerhalb derer erhaltenes Videomaterial von Krenek und Fragmente von Kreneks Musik fluktuieren.

Die visuelle Ebene von „Untitled [Krenek]“ widmet sich dem Aspekt der Heimatlosigkeit, der in Kreneks Biografie eine prägende Rolle einnimmt. Als österreichischer Komponist mit böhmischen Wurzeln entwickelte Krenek zunächst eine tiefe Verbundenheit zu seinem Heimatland. Weitere kulturelle Einflüsse sammelte er im Zuge längerer Aufenthalte in der Schweiz und Paris bevor er um 1930 wieder nach Wien zurückkehrte. 1938 musste er jedoch aufgrund des Nationalsozialismus als „entarteter Künstler“ sein Heimatland erneut verlassen und emigrierte in die USA. Dort ging er einer umfangreichen Lehrtätigkeit nach und nahm 1945 sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1950 hielt sich Krenek für längere Zeit in Deutschland auf und brachte dort als Dirigent zahlreiche seiner Werke zur Aufführung. 1966 zog er nach Palm Springs (CA), wo er bis zum Ende seines Lebens mit seiner Frau Gladys Nordenstrom Krenek lebte.

In Interviews und eigenen Texten thematisierte Krenek laufend sein zerrissenes Dasein zwischen Österreich, Deutschland und den USA und schilderte seine gefühlte Heimatlosigkeit als „Position zwischen den Stühlen“. „Untitled [Krenek]“ spürt dieser kulturellen Zwischenposition nach und verarbeitet alte Interview-Aufzeichnungen und erhaltene Aufnahmen von Krenek, seiner Frau Gladys und ihrem Haus in Palm Springs. Dieses Ausgangsmaterial, welches deutliche Alterungsspuren und teils schlechte Bildqualität aufweist, wurde mit Hilfe von AI-basierter Bildverarbeitungstechnik vergrößert und maskiert. Dabei wird der zu maskierende Bereich an einem Frame definiert und die AI errechnet die darauffolgenden Frames in diesem Bereich eigenständig. Im Zuge dieses Maskierungs-Prozesses entstehen jedoch laufend Fehler, welche allerdings besondere ästhetische Qualitäten aufweisen. Die so entstehenden Bilder erinnern stark an traumhafte Zustände. Die Silhouetten und Leerstellen in diesen surrealen Szenerien ähneln einer Eigenheit der Traumerinnerung, bei der sich viele Details bei genauerer Betrachtung nicht mehr eindeutig erschließen lassen oder sogar komplett fehlen. Das Resultat sind sich überlagernde Bilder aus Kreneks Leben, die ineinander verschwimmen, ohne sich jemals in einen greifbaren Moment zu stabilisieren. In diesem Meer aus fernen Erinnerungen schwebt Krenek selbst als vage Silhouette umher und wird mit Fragmenten seines Lebens konfrontiert.

„Untitled [Krenek]“ greift die kompositorische Fluidität an Stilen in Kreneks Werk auf und verwendet Kompositionstechniken früherer Schaffensperioden, inspiriert von Kreneks Streichquartett Nr. 8, op. 233. Sein Schaffen für diese Besetzung umfasst atonale, zwölftontechnische und neoklassizistische Werke. Im Laufe des 8. Streichquartetts verarbeitete er Zitate aus all seinen vorigen Streichquartetten. Die erhaltenen Skizzen dieses Streichquartetts lassen darauf schließen, dass es sich bei diesen Zitaten nicht nur um Ausschnitte, sondern vielmehr um Charakteristika handelt, die Krenek für das jeweilige Quartett als essenziell erachtete. Diese Essenzen seiner sieben Streichquartette fügen sich, ohne herauszustechen, in den Verlauf der Komposition ein und werden wie Stationen angepeilt und wieder verlassen. Im Sinne dieser Zitierweise sind in der Komposition von „Untitled [Krenek]“ Ausschnitte aus allen acht Streichquartetten und Zitate sonstiger ausgewählter Werke Kreneks mit eingearbeitet. Der Grundton der Komposition orientiert sich an der klanglichen Eigenart von „Spiritus Intelligentiae Sanctus“ und breitet eine Soundscape aus nostalgischen synthetischen Klängen und verfremdeten Stimmen aus in deren Verlauf allmählich essenzielle Ausschnitte aus Kreneks Gesamtwerk mit eingewoben werden. Somit wird das stilübergreifende Schaffen von Ernst Krenek widergespiegelt und gleichzeitig als Teil eines fluiden kompositorischen Prozesses zu einer homogenen Klangmasse verschmolzen.

Das Zusammenspiel der beiden Ebenen von „Untitled [Krenek]“ breitet einen verschwommenen Gedankenstrom von Bildern und Klängen aus Kreneks Leben aus, der Kreneks Geist durch eine mit Erinnerungen gespickte Traumsequenz gleiten lässt.

 

 

Kollektiv F.A.T. (Form Art and Time)

2020 schlossen sich Manuel Baumer und Magdalena Salner zum Kollektiv F.A.T. (Form Art and Time) zusammen, welches im Bereich zeitbasierter Kunst agiert und sich dabei verschiedener Kunstdisziplinen bedient. Im Fokus steht die Ergründung von Zeitkunst an sich. Entgegen herkömmlichen intermedialen Projekten ist F.A.T. nicht an der Interaktion verschiedener Medien und Kunstformen interessiert, sondern konzentriert sich auf deren gemeinsame Essenz; die Ausgestaltung von künstlerischem Material in der Zeit.

Manuel Baumer, *1992 in Tirol, lebt und arbeitet in Wien
Die Tätigkeit von Manuel Baumer ist von dem ständigen Oszillieren zwischen musikwissenschaftlicher und kompositorischer Praxis geprägt.  Dabei bildet die Musik der New York School einen Forschungsschwerpunkt, deren künstlerische Problemstellungen umfassend erschlossen und konsequent im Lichte zeitgenössischer Gegebenheiten weitergedacht werden. Neben klassisch notierten Instrumental-Kompositionen arbeitet er auch unter dem Pseudonym MandelBaum an Sampling basierten Werken, in deren Mittelpunkt die Verbindung von Verarbeitungstechniken des Hip-Hops und kompositorischen Techniken der europäischen Kunstmusik steht.
Seit 2011 studiert Manuel Baumer Musikwissenschaft an der Universität Wien. Seine kompositorische Ausbildung erhielt er im Zuge von Privatunterricht bei Günther Zechberger (2010-2014) und Christian Ofenbauer (2014-2018).

Magdalena Salner, *1987 in Tirol, lebt und arbeitet in Wien
Der künstlerischer Schwerpunkt von Magdalena Salner ist das Bewegtbild. Ihr besonderes Interesse liegt in der Gestaltung der Form in der Zeit. Rhythmus und Tempo spielen für das Dargestellte eine ebenso wichtige Rolle, wie der Bildaufbau und die Kameraführung. Sie setzt sich in ihren Arbeiten intensiv mit dem Konflikt zwischen der Bedeutung und Macht, die dem Bild anhaftet, und der eigentlichen Leere dieser auseinander. Mit den daraus entstehenden Werken provoziert sie den Betrachter seinen gewohnten Blick von Bewegtbildern zu hinterfragen. Dabei ist die soghafte Ästhetik und die Verfremdung des Bildmaterials ein wesentlicher Teil des Ganzen.Ihre Arbeiten reichen von experimentellen Kurzfilmen, raumfüllende Videoinstallationen, hin zu experimentellen 3D-Filmen und Musikvideos.


Website des Kollektiv F.A.T.

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