Ein Geburtstagsgeschenk: Ernst Kreneks Novelle "Die drei Mäntel des Anton K." in einer deutsch-englischen Neuausgabe

Neuerscheinung

Deutschland und Österreich dürfen stolz auf eine imposante Anzahl der verschiedenartigsten Museen blicken, zu denen nicht nur Staatsgalerien und ähnliche Großkaliber gehören. Passau etwa, die bayerische Grenzstadt, wirbt mit einem Dackel-Museum, während es Knopf- und Wurst-Museen gleich in mehreren Städten gibt, schön. Aber ein Museum des deutschsprachigen Exils, wie es Thomas B. Schumann vorschwebt, dem Gründer des Einmann-Verlages edition memoria, lässt noch auf sich warten. Zwar ist der passionierte Verleger mit der Stadt Bonn über ein solches Haus im Gespräch. Auch würde Schumann seine singuläre Sammlung von einschlägigen Nachlässen, Gemälden und anderem als Grundstock einbringen. Aber noch ist dergleichen Zukunftsmusik, leider.

In Schumanns imaginärem Museum des deutschsprachigen Exils, sprich in der edition memoria, hat nun auch Ernst Krenek Aufnahme gefunden, und zwar mit der Novelle "Die drei Mäntel des Anton K.", seinem einzigen Prosatext. Ein Gelegenheitswerk war sie allerdings nicht für ihn, denn die Erzählung beschäftigte ihn fast drei Jahrzehnte lang. Er schrieb sie im Sommer 1938. Im amerikanischen Exil, 1944, übersetzte er sie ins Englische ("The Three Overcoats of Anton K."). Rund zehn Jahre später revidierte er diese Fassung, um sie in einer amerikanischen Zeitschrift zu veröffentlichen. 1965 setzte er dann den Schlussstein, indem er die deutschsprachige Urfassung der "Mäntel" beim angesehenen Verlag Langen und Müller unterbrachte.

Kreneks nachhaltige Fürsorge ist ebenso auffällig wie nachvollziehbar. Denn er verarbeitete in, aber auch mit der Novelle den folgenreichsten Umbruch seines Lebens – Ereignisse, die ihn ohne Weiteres aus der Bahn hätten werfen können. Anfang März 1938 war er von einer USA-Tournee nach Europa zurückgekehrt. Wenige Tage später erfuhr er in Brüssel, dass sich Österreich mehr oder weniger bereitwillig den Nationalsozialisten angedient hatte und nunmehr zum Deutschen Reich gehörte. Krenek stand infolgedessen vor einem dreifachen Dilemma. Einerseits war sein österreichischer Pass ungültig geworden. Andererseits musste er nun in allen Reisefragen das deutsche Konsulat bemühen, die Vertretung eines Landes, das ihn und seine Kunst offiziell gebrandmarkt hatte. Und drittens war er genötigt, sich in einem ziemlich aufwändigen Verfahren um Visa zu kümmern, die ihm und seiner Frau die Rückkehr in die USA und den Aufenthalt dort ermöglichen sollten.

Während der folgenden Monate, in denen er aus beruflichen Gründen kreuz und quer durch Europa reiste, geriet Krenek in ein bürokratisches Gestrüpp sondergleichen. Um es zu durchdringen, musste er unablässig gute Miene zum bösen Spiel machen – hier mit der Faust in der Tasche, dort mit sarkastischem Humor. Immer wieder galt es, völlig absurde Vorschriften zu erfüllen. Als er von Holland nach Schweden reisen wollte, verlangte man eine Bescheinigung von ihm, dass er jederzeit nach Deutschland zurückkehren könne, obwohl eben dies für ihn wirklich gefährlich war. In einer ähnlichen Situation schickte man ihn zu einem Arzt, der ihm abwegige Fragen stellte. So gewann Krenek den Eindruck, er und seine Schicksalsgefährt/innen seien lediglich der Treibstoff, der eine rätselhafte, sich selbst genügende Maschinerie in Gang halten solle.

Um dem Gefühl der Ohnmacht etwas entgegenzusetzen, begann Krenek, das leidvoll Erfahrene in die Novelle von Anton K. zu verwandeln. Seine ambitionierte, wie ein Thriller verwickelte Erzählung, deren Held immer auch ein wenig Ernst K. ist, erscheint nun, anlässlich von Kreneks 120. Geburtstag, erstmals in einer zweisprachigen Ausgabe. Ergänzende Bildbeigaben, etwa der Reisepass des Komponisten, lassen einmal mehr den „Atem der Zeit“ spüren.

Dr. Matthias Henke

Ernst Krenek: „Die drei Mäntel des Anton K.“ / „The Three Overcoats of Anton K.“
Herausgeber: Matthias Henke
1. Auflage
Verlag: edition memoria
ISBN: 978-3-930353-39-2
Erscheinungsdatum: 1.9.2020

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