Aus Lothar Knessls Führer durch Ernst Kreneks Bühnenwerke

Schwergewicht oder Die Ehre der Nation

Burleske Operette in einem Akt, op. 55 (1927)

Text
Ernst Krenek


Verlag / Rechte
Universal Edition LM, TB UE 9475, TB UE 9535 (mit op. 49 und op. 50)


Dauer
25 Minuten


Uraufführung
6. Mai 1928
Staatstheater Wiesbaden
zusammen mit „Der Diktator“ und „Das geheime Königreich“

D Joseph Rosenstock
R G.T. Buchholz


Aufführungen
Theater Ulm (2009), Juillard School of Music, New York (2008), Wilhelma Theater, Stuttgart (2007), Forum der Hochschule für Musik u. Theater, Hamburg (2004), Cambridge UK (2002), Bühnen der Stadt Köln / Yakult-Halle (1999), Landestheater Linz (1993), Wien, Messepalast, Halle B und Staatstheater Stuttgart (Gemeinschaftsproduktion Wiener Festwochen, Schwetzinger Fest-spiele, Staatstheater Stuttgart, 1990)


Aufzeichnungen
2004, Capriccio 60107: Ernst Krenek, The 3 Opera Set. Der Diktator, das geheime Königreich, Schwergewicht oder die Ehre der Nation; D Marek Janowski, Deutsches Symphonieo rches-ter Berlin; Adam Ochsenschwanz: Roland Bracht, Evelyne: Celina Lindsley, Gaston: Robert Wörle, Anna: Bogna Bartosz, Journalist: Daniel Kirch, Regierungsrat: Markus Sandmann
Besetzung Adam Ochsenschwanz, Meisterboxer (Bbuffo), Evelyne, seine Frau (S), Gaston, ein Tanzmeister (T), Professor Himmelhuber (Bar), Anna Maria Himmelhuber, seine Tochter (MS), Ein Journalist (T), Ein Regierungsrat (T), Ottokar, Diener bei Ochsenschwanz (stumme Rolle), Ein Stubenmädchen (Statistin)
2.2.2.2 – 0.2.2.0 – Timp, Perc – Pft – Str


Themenkreise
Macht / Eros
Sportler-Klischee
Gesellschaftstänze der 1920er Jahre


Entstehung
Die Komposition ist als Kreneks Reaktion auf Äußerungen des deutschen Botschafters in den USA zu sehen: Dieser meinte bei einem Besuch des deutschen Schwergewichtsboxers Max Schmeling, dass Spitzensportler mehr für den guten Ruf Deutschlands getan hätten als sämtliche Künstler und Gelehrte.
Krenek komponierte in den Jahren 1926/27 drei Operneinakter, die oftmals kombiniert werden: „Der Diktator“, op. 49, „Das geheime Königreich“, op. 50 und „Das Schwergewicht oder Die Ehre der Nation“, op. 55.


Zeit und Ort der Handlung
Gegenwart, im Trainingsraum des Boxmeisters


Inhalt     
Ochsenschwanz ist pikiert, seine Frau und den „ekelhaften Kerl“ Gaston wieder beim Training für den Weltrekord im Dauertanzen anzutreffen. Sein Misstrauen ist berechtigt, denn Evelyne betrachtet die „blöde Hopserei“ nur als Gelegenheit, mit Gaston zusammen zu sein. Als er die beiden schließlich bei einem heimlichen Kuss ertappt, verliert er die Beherrschung und demoliert den Frühstückstisch und seinen Trainingsapparat. Gaston rettet sich unbemerkt in ein Nebenzimmer, während Evelyne von ihrem Mann in ein anderes Zimmer gesperrt wird. Danach überstürzen sich die Ereignisse: Die blaustrümpfige Medizinstudentin Anna Maria Himmelhuber schleicht sich herein, um ein Autogramm des „Meisters“ zu erhaschen, versteckt sich unter einem Tisch, wird entdeckt und von Gaston in eine Trainingspuppe verwandelt. Inzwischen ist Professor Himmelhuber, ihr Vater, eingetroffen, um Ochsenschwanz das Ehrendoktorat zu überbringen. Der Boxer will dem Professor an der vermeintlichen Puppe sein Können demonstrieren und schlägt diese k.o. Himmelhuber entdeckt seine Tochter; Ochsenschwanz wird der Schändung einer Minderjährigen und des Ehebruchs bezichtigt. Um sich abzureagieren, setzt sich der genarrte Kraftprotz auf seinen Trainingsapparat, den Gaston, bevor er mit Evelyne in die Freiheit verschwindet, unter Strom setzt, so dass der Boxer unaufhörlich an der laufenden Maschine arbeiten muss. Auch der Regierungsrat, der Ochsenschwanz die Einladung zur Olympiade überbringt, stellt die Maschine nicht ab, damit der „Ehre der Nation“ keine Trainingsminute verloren gehe.


Musik
Musik wie Handlung folgen dem Grundsatz größter dramaturgischer Eingängigkeit. Griffige Tanzrhythmen, vor allem aus dem Bereich des modernen Gesellschaftstanzes wie Blues, Valse, Tango Milonga und Foxtrott bestimmen ab der Ouvertüre das Tempo und stellen zugleich das vorrangige musikalische Gliederungsmittel dar. Die Schlageratmosphäre des „Jonny“ lebt wieder auf. […] Melodie und Harmonik verzichten auf jegliches opernhafte Espressivo. Die Dialoge werden nirgends in Klangseligkeit getaucht und bleiben akustisch stets klar vernehmbar. […] Krenek hat hier eine Gebrauchsmusik geschrieben, die sich umstandslos in den Dienst einfachster Bühneneffekte stellt und nicht mehr sein will als die eingängige und angenehme Einkleidung eines bei aller Hintergründigkeit doch recht vergnüglichen Theaterspaßes.   
Aus: Wolfgang Ruf, Kreneks drei Einakter von 1928


Resümee   
Schwergewicht oder Die Ehre der Nation stellt in aller Kürze eine Tour de Force durch zahlreiche – nach wie vor aktuelle – Themen dar.

 


Im Spiegel der Presse

Rezensionen zur Capriccio-CD

Frankfurter Allgemeine Zeitung
30./31.10.2004, Ulrich Schreiber
Walzer, Tango, Blues und Pasodoble (Valencia) durchziehen die Partitur, in der auch noch eine blaustrümpfige und zugleich sexuell auf den Boxer fixierte Doktorandin ihr Fett abbekommt. Der ironische, aber nie die Süffigkeit von Kurt Weills Sentiment anstrebende Populismus dieser Kurz-Oper, als burleskes Pendant zur Tragödie Der Diktator entworfen, wird von Janowski und seinen Mitstreitern tadellos getroffen.

Klassik heute
29.11.2004, Rasmus van Rijn
So erklärt sich das zwischen Strauß und Strauss angesiedelte Idiom, zu dem sich der Schwergewichtler Adam Ochsenschwanz abstrampelt, aus der absurden Komik der Situation, die selbst einem Karl Valentin zur Ehre gereichte.

MAS – Musik an sich
Kritik 11/2004, Georg Henkel
Der leichte Ton der schnittigen Musik, die an Zeichentrick und Hollywoodkomödie denken lässt, macht auch heute noch auf den ersten Ton Spaß. Wie der junge Komponist da, so ganz nebenbei, Fitnesswahn, Ehekrach, Boulevardjournalismus, Spießertum und Sex mit Unmündigen zum Thema macht, hat nichts an Aktualität verloren.

Neue Musikzeitung
August / September 1990, Stephan Hoffmann zu den Aufführungen in Wien und Schwetzingen
[…] sein satirischer Opern-Einakter ist die hohnlachende Verächtlichmachung von geistloser Kraftmeierei […] Hier sitzt jeder Ton, die durchaus beabsichtigte musikalische Überzeichnung sorgt für die Prägnanz und Eindeutigkeit – eine höchst quirlige und witzige halbe Stunde Opernvergnügen.

 

Weiterführende Literatur


Lothar Knessl, Im Sog des „Jonny“-Erfolgs. Drei Krenek-Einakter im Messepalast, in: Österreichische Musikzeitschrift, 45:5 (Mai 1990), S. 234–236

Wolfgang Ruf, Kreneks drei Einakter von 1928, in: Kolleritsch Otto (Hg.), Ernst Krenek, Studien zur Wertungs-forschung, Bd. 15., Universal Edition, Wien 1982, S. 133–143

Ernst Krenek, Meine drei Einakter, in: Anbruch, 10:5 (Mai 1928), S. 158–161

Back to Top