Aus Lothar Knessls Führer durch Ernst Kreneks Bühnenwerke

Der Diktator

Tragische Oper in einem Akt, op. 49 (1926)

Text
Ernst Krenek


Verlag / Rechte
Universal Edition
LM – TB UE 9455 / KA UE 9454 / TB UE 9535 (mit op. 50 und op. 55)


Dauer
35 Minuten


Uraufführung
6. Mai 1928
Staatstheater Wiesbaden
zusammen mit "Das geheime Königreich" und "Schwergewicht oder Die Ehre der Nation"

D Joseph Rosenstock
R Paul Bekker
B H. T. Buchholz


Aufführungen (Auswahl)
Anhaltisches Theater Dessau (Kurt Weill Fest, 2016), Staatstheater Kassel (2014), Hochschule für Musik und Tanz Köln (2014), Teatro Paolo Grassi, Cisternino (Italien, 2011), Universität der Künste Berlin (2005), Western Washington University, Bellingham (2004), Anhaltisches Theater Dessau (Kurt Weill Fest, 1999), Herz-Jesu-Kirche Berlin (1998), Guildhall School of Music, London (1997), Linzer Landestheater (1993), Messepalast Wien / Schwetzingen / Staatstheater Stuttgart (Gemeinschaftsproduktion Wiener Festwochen, Schwetzinger Festspiele, Staatstheater Stuttgart, 1990), Kroll-Oper Berlin (1928)


Aufzeichnungen
2004, Capriccio 60107: Ernst Krenek, The 3 Opera Set. Der Diktator, Das geheime Königreich, Schwergewicht oder die Ehre der Nation; D Marek Janowski, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin; Diktator: Urban Malmberg, Charlotte: Celina Lindsley, Maria: Gabriele Maria Ronge, Offizier: Robert Wörle


Besetzung
Der Diktator (Bar)
Charlotte, seine Frau (S)
Der Offizier (T)
Maria, seine Frau (S)
ein Kurier, ein Groom, ein Krankenwärter, ein Detektiv (stumme Rollen)
2.2.2.2 – 1.1.1.0 – Timp, Perc (incl. Xyl, Glsp) – Str


Themenkreise
Macht, Krieg und Eros


Entstehung
Der Diktator bildet mit den Einaktern Das Geheime Königreich und Schwergewicht ein Triptychon, mit dem sich Krenek auf Puccinis Trittico bezieht. Bei der Konzeption der Schlussszene stand laut Krenek die Szene aus William Shakespeares Richard III. Pate, in der Richard um die Hand Annas wirbt, deren Mann und Schwiegervater er ermordet hatte. Der dem Duce Mussolini nachempfundene Diktator interessiert Krenek nicht als Exponent einer bestimmten politischen Ideologie, sondern als Machtmensch mit einer suggestiven Überlegenheit über seine Umwelt.


Zeit und Ort der Handlung
Gegenwart / bei Montreux am Genfer See


Inhalt
Der machthungrige Diktator initiiert wieder einen Krieg. Seine Frau Charlotte hingegen verurteilt jedes Blutvergießen. – Objekt seiner Begierde ist Maria, die Frau eines Offiziers, der im jüngst vom Diktator angezettelten Krieg das Augenlicht eingebüßt hat. Maria plant, den Diktator zu töten. So gerät er in Gefahr. Charlotte ist besorgt, er aber ignoriert ihre Warnungen. – Bei einer Begegnung mit Maria versucht diese, den Diktator zu erschießen. Im Verlauf der Auseinandersetzung wandelt sich jedoch ihr Hass infolge der Anziehungskraft des Diktators in Zuneigung bis zur Hingabe. Charlotte, verborgene Zeugin dieses Prozesses, will ihren Mann erschießen. Sie trifft aber Maria, die sich dazwischen geworfen hat. – Der Diktator erklärt deren Tod als Selbstmord. Im Glauben, der ursprüngliche Mordanschlag sei dennoch geglückt, verharrt der blinde Offizier an Marias Leiche.


Musik
Die Musik ist im weiten Sinne tonal (harmonisch, aber nicht funktionell), charakterisiert durch abrupte Dur-Moll-Wechsel, übermäßige Akkorde, nicht aufgelöste Vorhaltsbildungen, von plakativer Wirkung, meist dramatisch-rezitativisch, motivisch verklammert, wobei kurze Figuren die jeweiligen Situationen signalisieren. Das seelische Umkippen Marias gipfelt in gewaltig tönendem D-Dur, als handle es sich um einen Befreiungsakt. Beginn und Ende der Tragödie sind am weitesten von diesem Wendepunkt entfernt: as-Moll.
(aus: Lothar Knessl, Im Sog des „Jonny“-Erfolgs)

 


Im Spiegel der Presse

Rezensionen zur Capriccio-CD (Triptychon)
Wiener Zeitung
11.4.2004, Edwin Baumgartner
Der Diktator ist ein Reißer in expressionistisch gefiltertem Verismo mit süffigen Melodien. … Ein Muss!

Pro:log – Das Journal der Wiener Staatsoper
Jänner 2005, Heft 85
Die Stücke gehören zum Besten aus Kreneks Feder. Sie sind dramaturgisch effektvoll und musikalisch souverän gearbeitet…

Magazin.klassik.com
19.1.2005, Thomas Vitzthum
So viel Abwechslung, so viel Unterhaltung und gut hörbare Musik darf doch nicht einfach vergessen werden.

Österreichische Musikzeitschrift
11-12/2004, Hartmut Krones
… die faszinierenden, in der Nachfolge des Jonny stehenden Werke in all ihrer Musizierlust und Expressivität …

Zur Aufführung an der Universität der Künste Berlin
Berliner Morgenpost
26.05.2005, Martina Helmig
Kreneks Kurzoper ,Der Diktator’ ist ein politisches Werk. Mit bitterer Ironie schildert es 1928 die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs und warnt vor dem drohenden Faschismus.

 

Weiterführende Literatur

Stephanie Kleiner, Staatsaktion im Wunderland: Oper und Festspiel als Medien politischer Repräsentation (1890-1930), Oldenbourg Verlag, München 2013 (S. 449 ff)

Claire Taylor-Jay, Ist politische Oper heute noch möglich? – Kreneks „Der Diktator“ und „Tarquin“, in: Claudia Maurer Zenck (Hg.), Der zauberhafte, aber schwierige Beruf des Opernschreibens. Das Musiktheater Ernst Kreneks, Edition Argus, Schliengen 2006, S. 181-192

Lothar Knessl, Im Sog des „Jonny“-Erfolgs, in: Österreichische Musikzeitschrift, Mai 1990, S. 234-236

John L. Stewart, Ernst Krenek – Eine kritische Biographie, Hans Schneider Verlag Tutzing, 1990, S. 121-122

Wolfgang Ruf, Kreneks drei Einakter von 1928, in: Otto Kolleritsch (Hg.), Ernst Krenek, Studien zur Wertungsforschung, Bd. 15, Universal Edition, Wien 1982, S. 133-143

Ernst Krenek, Das musikdramatische Werk – Band 1, Österreichische Verlagsanstalt, Wien 1974 (Libretto)

Wolfgang Rogge, Ernst Kreneks Opern. Spiegel der zwanziger Jahre, Möseler Verlag, Wolfenbüttel 1970

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